Die Flut und die Denkmäler
von Katrin Kantelberg (LZ)
Lemgo. Die Bilder sind bedrückend. Auch knapp sechs Monate nach dem Hochwasser, das ganze Dörfer mit sich riss. Ein Gefühl wie auf einer Beerdigung, umschreibt Dr. Manuela Kramp ihr erstes Empfinden, als sie durchs Stadttor ins alte Zentrum von Ahrweiler fährt. Leere Häuser, Schuttberge, Handwerker. Ansonsten Stille.
Als Sachverständige für Altbauten und historische Gebäude ist sievor Ort unterwegs, um beimWiederaufbau zu helfen.
Die diplomierte Architektin ist eine von 14 in Deutschland öffentlich bestellten Bausachverständigen für ältere Häuser und Denkmäler, die Gutachten für Behörden, Gerichte oder Versicherungen schreiben dürfen.Und die sind nach der Flut mehr denn je gefragt: Wer Fördermittel für den Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten in Nordrhein-Westfalen oder auch Rheinland-Pfalz beantragen möchte, der muss einen öffentlich bestellten Gutachter finden, soweit der Schaden über 50.000 Euro liegt. Sind historische Bauten betroffen, ist unter anderem Manuela Kramp dabei. Etliche verunsicherte Flutopfer hatte sie in ihrem Lemgoer Büro in den vergangenen Wochen am Apparat. „Viele können gar nicht einschätzen, wie hoch der Schaden an ihren Häusern ist und ob sie ein Gutachten benötigen“, erzählt sie von den Gesprächen. Immer wieder sei auch die Verunsicherung zu spüren, ob noch mehr Kosten anfallen – und das in einer Phase, in der viele gar nicht wissen, ob sie überhaupt bleiben wollen.
„Die Menschen fühlen sich überfordert und zum Teil auch allein gelassen“, so die Sachverständige, die versucht, schnell zu helfen und den ersten Besuch vor Ort kostenfrei anbietet. Seit Wochen ist sie immer wieder im Flutgebiet unterwegs, schaut sich die Gebäude an, fertigt Kurz Gutachten an, deren Kosten bei einem Schaden über 50.000 Euro die Aufbauhilfe trägt.
Und während im nordrhein-westfälischen Rheinbach die katastrophalen Folgen der Flut auf den ersten Blick nicht mehr so ins Auge fallen, liegt das rheinland-pfälzische Ahrweiler wenige Kilometer weiter noch immer in Trümmern. Eine kleine Stadt mit historischem Stadtkern, der als solcher kaum noch zu erkennen ist.
Im Haus der Familie, die Manuela Kramp gerufen hat, stand das schlammige Wasser bis zur Oberkante des Erdgeschosses. Vor Ort klärt die Sachverständige zunächst die wichtigsten Fragen: Wie sieht es mit der Statik aus?
Gibt es Schäden an der Bausubstanz? Wie trocken sind die Wände? Denkmalgeschützte Häuser müssen laut Gesetz erhalten bleiben. Doch was ist möglich, wenn die Flut nur noch das Ständerwerk übrig gelassen hat? Ist ein kompletter Rück- und Aufbau denkbar oder muss der Denkmalschutz doch aufgehoben werden? Jeder Fall ist einzeln zu prüfen.
Ahrweiler, knapp sechs Monate nach der Hochwasserkatastrophe. Die Besitzer des alten Hauses haben vorerst in Köln Unterschlupf und auch Abstand bekommen.
Fotos: Manuela Kramp